Hochtaunus-SPD will mit Thorsten Schäfer-Gümbel verlorenes Vertrauen gewinnen

Viel Applaus für die Rede von Thorsten Schäfer-Gümbel

Dort bemühte sich ihr Kandidat für das Ministerpräsidentenamt in Wiesbaden, Thorsten Schäfer-Gümbel, in einer 60 Minuten langen Sonntagsrede frischen Wind in die veralteten Strukturen der 149 Jahre alten Volkspartei zu bringen. Der noch zu Kaisers Zeiten errichtete Festsaal neben dem Römer Kastell sah an diesem Sonntag mehr Besucher als bei den Neujahrsemfängen anderer Parteien. Vorsitzender Wetzel und Petra Fuhrmann schüttelten am Eingang persönlich viele Hände. Einige junge Burschen mit Ordnerbinden unter Leitung ihres zweiten Juso-Vorsitzenden Holger Hertel aus Steinbach geleiteten die Gäste freundlich zu den noch freien Sitzplätzen.Auf den gedeckten Tischen waren fünfzig rote Primel-Töpfchen verteilt worden. Fast alle Plätze an den Tischen waren belegt, ein Drittel der geschätzten 300 Zuhörer im Saal begnügten sich mit Stehplätzen. Von der stets chic behüteten Henny Ludwig, die sich rühmt „die älteste Berliner Sozialdemokratin im Taunus zu sein“, bis zum vierjährigen Spross Nico des Schulleiters Walter Breinl aus Oberursel, der nach seiner Mütze suchte, waren fast alle Jahrgänge der Partei vertreten.
Ehe der Kreisvorsitzende Wetzel den Empfang eröffnete, suchte er nach einer Besucherin, die eine Schmuckkette verloren hatte. Dann begrüßte er „ Sozis zuerst“ – die Bürgermeister Brum von Oberursel, Bangert von Weilrod und Krug von Bad Homburg, sowie Temmen von Kronberg , Sommer von Wehrheim, den Kreisbeigeordneten Kraft, den Gewerkschafter Harald Fiedler sowie den Ombudsmann Waldemar Schütze namentlich. Etwas später traf der in zweiter Amtsperiode wieder gewählte Landrat Ulrich Krebs ein „Das gesamtpolitische Bild ist bunter geworden“, konstatierte Wetzel, der sich vorgenommen hat, „nahe an der Quadratur des Kreises vernünftige Politik zu machen“. Er bedauerte, dass seine Partei viele Stimmen verloren hat und plädierte dafür, diese wieder zu holen. „ Wenn wir Vertrauen wieder gewinnen wollen, müssen wir fragen, wo die Stimmen geblieben sind“, sagte er und empfahl bei der Stimmensuche, sich auf die kleinen Aufgaben zu konzentrieren.
Das unterstrich auch Festredner Schäfer-Gümbel, der bei seinen Vortrag des Öfteren vom Beifall seiner Parteifreunde unterbrochen wurde, „Es geht um das Vertrauen, miteinander Politik zu machen“, erklärte der 42jährige Hesse, der im November 2011 mit 94,6 Prozent zum Kandidaten für das Ministerpräsidentenamt gewählt wurde. Seit 149 Jahren bemüht sich die SPD darum, die Zustände in der Welt zu verändern und verliert stetig an Vertrauen. “Ursache für den Vertrauensverlust sind die Nichtwähler“, folgerte Schäfer-Gümbel. Die Ohnmacht der Bürger gegenüber der Politik entstand, als einige Politiker am Abgrund spekuliert haben, „Neun von Zehn arbeiteten in die eigene Tasche. Was in den Türmen von Frankfurt passiert, diesen Zustand müssen wir verändern“, konstatierte er. Doch 97 Prozent aller Politiker machen es ehrenamtlich, damit die Gemeinde funktioniert.
Er verwahrte er sich gegen die Kürzung von 340 Millionen Euro für Bildungs-Ausgaben, die wieder rückgängig gemacht werden müsse. „Schule kann nicht der Reparaturbetrieb der Gesellschaft sein“, sagte er und „Wie können wir so Menschen bewegen, Verantwortung zu übernehmen?“. So wie man im Ortsverein Lich versucht, die Menschen für Schule und Bildung zu sensibilisieren, sollte man es auch in anderen Kommunen machen. „Ich ermutige alle Bürgermeister Gleiches zu tun, am Ende kommt durch Zusammenarbeit mehr raus“. Das Thema Arbeit sei für die Partei schon immer elementar, denn „Arbeit ist die Grundlage für das Verständnis des sozialen Zusammenhalts“, sagte TSG und lobte die Arbeit der vielen Betriebsräte, die heute mehr Verantwortung für die Mitarbeiter trügen als die Manager. Deshalb sei die Einführung von Mindestlöhnen „ein Gebot der Fairness und der Vernunft“. Er verglich das Gehaltsgefüge von deutschen Vorständen, die für Finanz- und Wirtschaftskrise verantwortlich seien, mit denen der Manager in Skandinavien und Spanien. Ferner forderte er ein Verbot für die Spekulation mit Lebensmitteln. In die allgemeine Griechenland-Schelte wollte er nicht mit einstimmen, verurteilte indes das Verhalten mancher Eliten („ das ist eine Sauerei“), die stets die Verantwortung anderen zuschieben. Die Eliten und Deutschland tragen jetzt für Europa Verantwortung. Deshalb bekennt sich auch die SPD zum Ja zu Europa.
In ihrem Schlusswort monierte MdL Petra Fuhrmann die kürzlich bekannt gewordenen Pannen bei den rechtsradikalen Terror-Anschlägen in der Bundesrepublik. Hier sei noch viel Aufklärungsarbeit erforderlich, forderte sie und erklärte „Toleranz, Solidarität und Verantwortung sind die Freiheit der Erwachsenen“. An die Neujahrsgäste appellierte sie: „Machen Sie mit, mischen Sie sich ein. Nehmen Sie die Verantwortung wahr!“ Als die Versammlung bereits im Aufbruch war, suchten Vater und Sohn Breinl immer noch die verlorene Mütze. Schließlich traf auch noch CDU- MdL Jürgen Banzer ein, der sichtlich froh war, hier seinen Parteifreund und Nachfolger im Amt, Ulrich Krebs, zu treffen.
Text und Bild mit freundlicher Genehmigung von Jobst Parusel