Sigmar Gabriel im Dialog mit den Bürgern des Usinger Landes

Sigmar Gabriel und Achim Schabedoth
Sigmar Gabriel und Achim Schabedoth

Bevor Sigmar Gabriel die vollbesetzte Usinger Stadthalle betreten konnte, wurde er im Foyer von den Jusos und Vertretern der Jungen Union empfangen und um ein Foto gebeten. Erstmals in seinem Leben, wie er mehrmals betont, lässt er sich gemeinsam mit Jusos und Junger Union ablichten. Rund 200 Besucher, darunter viele, die keine Genossen sind, begrüßen Gabriel, den Bundestagskandidaten Dr. Hans-Joachim Schabedoth und die Landtagskandidatin Elke Barth mit kräftigem Applaus. Gemeinsam mit dem Bundestagskandidaten steht Gabriel vor dem Publikum und beantwortet, die an ihn gerichteten Fragen. Die Politikverdrossenheit ist das erste Thema und Gabriel weist darauf hin, dass der Gegner der SPD das Ohnmachtgefühl in der Bevölkerung ist und eine Bedrohung für die Demokratie darstellt. Die Menschen müssen sich bewusst werden über das Glück, wählen gehen zu dürfen; in anderen Ländern sterben Menschen für dieses Recht. Auch wenn Demokratie nicht fehlerfrei ist, so ist doch die einzige Chance Fehler gewaltfrei zu lösen, so Gabriel.

Auf den Syrienkonflikt angesprochen, erklärt Gabriel, dass die SPD Westerwelles Befürwortung eines Militärschlages für falsch hielt. Ein Militärschlag ist eine Strafaktion, der nichts an der eigentlichen Situation ändert. Deutschland solle vielmehr eine Vermittlerrolle zwischen den USA und Russland einnehmen. Die Weltgemeinschaft muss Russland verdeutlichen, dass es seine Unterstützung für das Assad-Regime einstellen soll. Es darf keine Duldung von Giftgaseinsätzen geben, da sonst andere Diktaturen ebenfalls Giftgas gegen ihre eigene Zivilbevölkerung einsetzen könnten. Der anstehende G20-Gipel sollte ein Syriengipfel sein. „Wir haben uns daran gewöhnt, zu schnell in Kriegslogik einzusteigen“, kritisiert Gabriel.

„ Sigmar, was ist für Dich das Wichtigste am SPD Regierungsprogramm?“ will Bundestagskandidat Dr. Hans-Joachim Schabedoth wissen. Guter Lohn für gute Arbeit ist die prompte Antwort. Es ist menschenunwürdig trotz Arbeit zum Sozialamt gehen zu müssen. “Wer Altersarmut verhindern will, muss dafür sorgen, dass Leute im Erwerbsleben genug verdienen, „ fordert Gabriel. Derzeitig werden 11 Milliarden Euro in Armutslöhne gesteckt, anstatt sie in Bildung zu investieren. Außerdem widersprechen Billiglöhne dem Prinzip der Marktwirtschaft und dem fairen Wettbewerb. Der gesetzliche Mindestlohn muss eingeführt werden. Das Vorgehen der jetzigen Regierung, die Mindestlohndebatte den Tarifparteien zu überlassen, führt zu keinem Ergebnis, da es in den schlecht zahlenden Branchen gar keine Tarifparteien gibt.

Zum Thema Finanzmärkte wendet sich Schabedoth mit der Frage, was die Bundeskanzlerin mit „marktkonformer Demokratie“ meine an Gabriel. “Wir müssen uns an die Geschwindigkeit der Finanzmärkte anpassen, so Gabriel, aber was wir brauchen ist ein demokratiekonformer Markt.“ Großbanken müssen untereinander einen Haftungsfond einrichten, damit nicht die Steuerzahler zur Kasse gebeten werden, wenn sich Banken verzockt haben. Wir leben in einem „Verlust-Sozialismus“ in dem Gewinne privatisiert und Verluste sozialisiert werden. „Banken sollen nur mit dem eigenen Geld und nicht mit den Spareinlagen der Bürger zocken“, postuliert Gabriel.

Bundestagskandidat Schabedoth, der als Politikberater der IG Metall arbeitet, berichtet, dass die Gewerkschaften das SPD Regierungsprogramm sehr begrüßen. Um weiterhin sichere und fair bezahlte Jobs anbieten zu können, ist es sehr wichtig, Deutschland als Industriestandort zu erhalten. Drei Voraussetzungen sind nach Gabriels Ansicht dafür nötig. Die muss vorangebracht werden, der Fachkräftemangel muss bekämpft werden und die Infrastruktur muss erhalten werden. Die dafür benötigen Gelder müssen aus Steuererhöhung und Schuldensenkung kommen.

Ein ortsansässiger Unternehmer stellt die Forderung nach einer dezentralen Energieversorgung und einen Masterplan für die Energiewende. „Soviel Dezentralität wie möglich, soviel Zentralität wie nötig, „ hebt Gabriel hervor. Für ein 80 Millionen Volk werden beide Energieformen benötigt, denn die dezentrale Versorgung alleine birgt zu viel Unsicherheit. Die Energiewende hat eine gigantische Chance, wenn sie richtig angepackt wird. Der Masterplan muss nicht für zwei Jahre gelten, sondern für einen Umbau, der sich über die nächsten 40 bis 50 Jahre ziehen wird. Gabriel würde die Ernennung eines Energieministers begrüßen, allein schon deshalb, weil sich zurzeit sechs Minister um die Zuständigkeit streiten.

„Wie schätzen Sie die Situation in Griechenland ein?“ will eine Besucherin von Gabriel wissen. „Griechenland hat keine Regierung, sondern wird seit Jahrzehnten von ein paar Familien ausgebeutet, „ erklärt Gabriel. Diese Familien haben das Land ruiniert, eine Regierung muss erst gebildet werden. Die Aufgabe entspricht eher einem Marathon als einem 100 m-Lauf. Sein Vorschlag für Griechenland wäre ein Lastenausgleich zwischen den griechischen Milliardären und dem Volk, auch um für das Volk ein Zeichen zu setzen.

Da bei Spitzenpolitikern immer die Zeit drängt und der nächste Termin schon wartet, konnten in den knapp zwei Stunden nicht alle Fragen der interessierten Zuhörer beantwortet werden. Schabedoth wies darauf hin, dass es zu einigen der angesprochenen Themen noch weitere Veranstaltungen geben werde, zu denen alle herzlich eingeladen seien. Nach Verabschiedung des Ehrengastes durch die Landtagskandidatin Elke Barth, eilen Gabriel und sein Team zum nächsten Termin.